Drei Monate #lauffeuer: Glimmt es noch?

Drei Monate lang lief das Experiment #lauffeuer: Ist es (mir) möglich, Leute grüppchenweise in freie und dezentrale soziale Netzwerke zu bewegen? Keine Überraschung… Das eindeutige Ergebnis ist: Nein.

Aber natürlich kann man ein paar mehr Worte darüber verlieren. Zuerst ein großes DANKE an alle, die überhaupt mitgemacht haben, und besonders an die, die noch dabei sind! Cool, dass Ihr Euch Alternativen anguckt! Cool, dass Ihr einen Kanal einfach mitbepostet, auch wenn er nicht der Hauptort Eures Gezwitschers ist! Und cool, dass einige von Euch, die ich ein bisschen kenne, mich überrascht haben! <3

Kurz ein paar Zahlen

Der Admin-Account zeigt mir: Username, E-Mailadresse, Datum der Registrierung, Datum des letzten Logins, Datum des letzten Beitrags, Art des Accounts.

  • 21 Personen haben in der Zeit einen Account angefragt und bekommen.
  • 3 haben sich nie eingeloggt. 4 weitere haben nie gepostet.
  • 10 haben innerhalb des letzten Monats etwas geschrieben, 4 davon auch noch in der letzten Woche. Daher: Ja, das #lauffeuer glimmt immerhin ein kleines bisschen und ist nicht völlig erloschen.
  • Ich glaube, gelesen zu haben, dass mindestens 3 dieser 4 den friendica-Account in einer Smartphone-App konfiguriert haben und ihn einfach mitbespielen. \o/

Was hat funktioniert?

  • Das Streuen der Information. Der initiale Blogpost wurde fast 190 mal aufgerufen (das ist viel für mein Blog), der Zwischenbericht 25 mal. Mein initialer Ankündigungstweet wurde zwar nur 10x retweetet, aber an ca. 11.500 Follower*innen. Insgesamt haben meine direkten Follower*innen #lauffeuer-bezogene Tweets an etwa 20.000 andere Accounts weiterverteilt. Klar – es liest nicht jede*r alles, was vorbeirauscht, aber die Information kam schon irgendwie rum.
  • Personen mit Android-Smartphones haben wie gesagt teils den Account in eine App eingebunden und damit gezeigt: Einmal eingerichtet, ist nicht mehr jeder Beitrag ein Extra-Aufwand.
  • Anregungen für die Verbesserung von friendica sammeln. Es war ja Teil des Experiments, dass die Teilnehmenden was Kleines aufschreiben könnten, was besser sein könnte. Das haben manche auch gemacht. Und das war mir wichtig, weil wir es ja mit einer freien Software zu tun haben, die nach und nach von einer (kleinen, aber aktiven) Community weiterentwickelt wird. Ich finde es wichtig, sich das bei der Nutzung vor Augen zu halten und die unfairen Vergleiche mit den größten Konzernen der Welt zu lassen. Wir haben alte und neue Anregungen und werden beim friendica-Hackathon im September sehen, wie viel wir davon schaffen.

Was hat nicht funktioniert?

  • Von der Formulierung „bandenweise“ hatte ich mir erhofft, dass mehr Leute noch jemanden mitbringen. Convince your friends und so. Das war wenig.
  • Ja, man muss sich schon einen Moment mit der Logik von friendica beschäftigen, denn sie ist in manchen Punkten anders als andere Netzwerke. Das war – so meine Interpretation – vielen zu viel. Was mir daran ein Rätsel ist: Ich denke, dass die meisten eigentlich Personen sind, die sich auf x Plattformen bewegen und sich deren Funktionsweisen ja auch aneignen. Wie schaffen sie dort und wieso geht es nicht hier? (Und: Wenn da mehr Menschen gekommen wären, die mir alle einzeln ihre Fragen zu den Einstellungsmöglichkeiten in friendica gestellt hätten, dann wäre ich womöglich etwas überfordert gewesen, es allen einzeln zu erklären. 😉 )
  • Es gab auch ein technisches Problem, nämlich beim automatischen Versand der Zugangsdaten. Ich vermute, das lag daran, dass der friendica-Server über ein Relay Mails verschickt. Da aber auch immer wieder Leute bestätigt haben, das sie die Mails bekamen, habe ich in dieses Thema nicht mehr Zeit gesteckt. Ich kann mutmaßen, dass sich die 3 Personen deshalb nicht eingeloggt haben, weiß es aber natürlich nicht, da sie danach auch nicht mehr gefragt haben.

Was wüsste ich gerne von den Teilnehmenden?

Anfänglich gab es recht viel Feedback und Fragen, dann wurde es ruhig. Und mich würde total interessieren, wie die Teilnehmenden, die noch da sind, es jetzt finden und wie sie es im Alltag nutzen. Wie oft gucken sie selbst in die friendica-Timeline rein (mobil? am Rechner?) und wie viele Bekanntschaften haben sie dort? Haben sie nur ein Mini-Mini-Netzwerkchen auf dieser Instanz oder folgen sie auch Personen von anderen friendica-Instanzen oder von StatusNet- bzw. GNUsocial-Instanzen? Holen sie sich RSS-Feeds in die Timeline? Sind sie Gruppen beigetreten? Oder haben sie keine Gruppen gefunden, die sie inhaltlich interessant finden? Wollen sie überhaupt ein zweites großes Netzwerk oder eher einen „überschaubaren“ Ort für die geschlossene Kommunikation in einer kleinen Gruppe? (Also, Ihr Lieben, wenn Ihr Lust habt, darüber ein paar Sätze zu schreiben, würde ich das erhellend finden.)

Was bleibt für mich?

Ernüchterung und trotzdem Motivation. Die Ernüchterung kommt aus der Feststellung, dass mein Umfeld und ich sehr verschiedene Kriterien für wichtig halten, bei der Wahl der Kommunikationsmittel. Die Anzahl der Leute, die mir die ganze Zeit erklären, warum sowas nicht funktionieren kann und wie sie das begründen. Auf der republica 2014 gab es einen Vortrag, in dem die Begründungen des homo oeconomicus besonders elaboriert zusammengestellt sind, mit Netzwerkeffekt, Metcalfe’s Law, mit der Gegenüberstellung von Transaktionskosten in zentralen versus dezentralen Netzwerken, Aussagen darüber, welche Struktur ein Netzwerk „natürlicherweise“ hat. Aber in jedem Tischgespräch bringen Leute ähnliche Elemente, um zu erklären, dass alles so bleiben wird, wie es ist. Was daran so schwierig für mich ist: Ich glaube nicht an den homo oeconomicus und sehe täglich, dass die Leute sich eben nicht nach reinen Kosten-Nutzen-Erwägungen verhalten.

Ein Beispiel: Wenn Leute sich entscheiden, vegan zu essen, häufig aus politisch-ökologischen Gründen, dann stellt sich meiner Beobachtung nach das Umfeld sogar sehr darauf ein. Klar kochen wir jetzt immer mehrere Varianten, damit alle mitessen können und alle das bekommen, was sie essen möchten. Das Essen kostet oft mehr wegen irgendwelcher Saitanfleischimitate, das Kochen dauert länger, denn es gibt zwei Saucen, aber egal, so machen wir’s!

Mein Umfeld akzeptiert manche Entscheidungen und ignoriert andere. Und meine gehört dummerweise zu denen, die fast alle ignorieren. Mit den politischsten Menschen kann das Gespräch versiegen, wenn es auf das Thema „Wo kommunizieren wir?“ kommt. Retweeten und vergessen ist da alles, was geht. Hatte ich geahnt, jetzt weiß ich es sicher. Zur Erinnerung: Das Experiment hieß nicht „Drei Monate Facebook-Verbot“, sondern „Drei Monate einen weiteren Kanal mitbespielen“.

Das Gute: Es geht was, in der Föderation! Neue Leute kennen lernen! (Mitunter auch merken, dass der Aufbau der berühmten Filterblase wieder von vorne losgeht.) Eine Freundschaftsanfrage mit einem Kommentar wie „Du kennst mich nicht [das ist dort ankreuzbar], aber das #lauffeuer hat mich an friendica erinnert und ich hab jetzt auch eine Instanz!“ Die kleinen, monatlichen Berliner friendica-Treffen, bei denen die Idee entstand, zu einem friendica-Verbesserungswochenende einzuladen, das jetzt fest für Anfang September geplant ist (Ankündigung folgt).

Und schließlich: Liebe Nutzer*innen meiner Instanz, ich würde es ganz toll finden, wenn Ihr bleibt! Ihr könnt auch noch wen mitbringen. 🙂