Anmerkung zum Artikel „Communities verbinden“

In der aktuellen LinuxUser [1] 12/2010 ist ein Artikel von Frank Hofmann erschienen, der die aktuellen Vernetzungsbemühungen  von Linuxgruppen im Berlin und Brandenburg darstellt [2]. Wir hatten uns vorher über den Artikel unterhalten, und ich stehe mit einigen anderen Menschen unten drunter, bei denen Frank sich für die kritischen Anmerkungen bedankt. Da ich meinen Punkt im Artikel sehr verkürzt wiederfinde, möchte ich ihn hier nochmal kurz darlegen: Es ging mir um die Atmophäre von LUG-Treffen.

Frank schreibt dazu:

„Ein offenes, tolerantes und kreatives Umfeld hilft, die richtigen Leute zu finden, die als Vermittler oder Botschafter zwischen den einzelnen Interessengruppen fungieren und die jeweilige „Sprache“ sprechen. Nur so lassen sich gemeinsame Aktivitäten organisieren und die Barrieren und Vorurteile abbauen. Dabei unterstützt auch ein regelmäßiges Veranstaltungsprogramm, an dem jeder teilnehmen und zu dem jeder beitragen kann.

Der Treffpunkt sollte ein Ort mit angenehmer Atmosphäre sein. Angenehm heißt nicht nur Strom, Netz und Getränke, sondern auch eine Person, welche die Verantwortung innehat und sie aktiv ausübt. Dieser Koordinator fungiert als Ansprechpartner und übernimmt die Verantwortung beispielsweise für die Schlüssel zum Treffpunkt und die Sauberkeit. Auch ein kleines, leckeres Angebot an Verpflegung schadet nicht.“

Und ich finde:

Ja, das offene Umfeld ist total wichtig, ich sehe es aber längst nicht überall verwirklicht. Weniger scheinen verschiedene LUGs auf Vermittler_innen zwischen ihren verschiedenen „Sprachen“ angewiesen zu sein, als dass vielmehr neu Interessierte vor Problemen stehen: Wie wird z.B. damit umgegangen, wenn Menschen ihre technischen Probleme nicht „adäquat“ in Fachsprache definieren können? Bekommen sie zu hören, sie sollten erstmal lernen, ihr Problem zu formulieren?

So reagieren natürlich nicht alle. Wer so etwas jedoch am Nachbartisch mitbekommt, könnte intervenieren, die fragende Person nicht allein mit dem Gefühl sitzen lassen, sie sei „zu doof für Linux“. Deshalb reicht es meines Erachtens auch nicht aus, wenn sich eine Person verbindlich für die Organisation der Treffen zuständig fühlt. Natürlich sind Räume, die dann auch benutzbar sind, essenziell. Ich würde mir aber wünschen, dass sich alle Anwesenden gemeinsam um die Atmosphäre ihrer Treffen bemühen, im ständigen Umgang miteinander. Über die Netiquette hinaus, die manche Mailinglisten haben, wäre das eine Etiquette für die Face-to-Face-Begegnungen. Dazu wäre im Idealfall eine Reflexion innerhalb der Gruppen nötig: Welches Verhalten akzeptieren wir hier nicht und was wollen wir dagegen tun? Neben einem mehr oder weniger subtilen Newbie-Bashing sind sexistische Sprüche ein anderes Beispiel: Die kommen zwar von Einzelnen, aber der Rest der Anwesenden lacht darüber oder schweigt. Auch das sind Entscheidungen, und es geht anders: Mund aufmachen und sagen „Nee, sowas tolerieren wir hier nicht.“ Insofern stehe ich dem Begriff „tolerantes Umfeld“ auch skeptisch gegenüber. Er impliziert nämlich unter Umständen, dass jede_r sich auch so unmöglich verhalten kann wie sie_er will, während die Gruppe als Gesamtes sich passiv auf einen Toleranz-Anspruch zurückziehen kann, anstatt sich aktiv für ein Gruppenklima einzusetzen, in dem Diskriminierungen bekämpft werden.

Hier spreche ich natürlich weniger von der Vernetzung derer, die schon „drin“ sind, sondern vom Weg zum erklärten Ziel „world domination“. 😉

[1] Linux User: http://www.linux-user.de/

[2] Hier online zu finden: http://www.linux-community.de/Internal/Artikel/Print-Artikel/LinuxUser/2010/12/Open-Source-Vernetzung-auf-persoenlicher-Ebene