In den interessantesten Momenten habe ich nie eine Kamera zur Hand (im Gegensatz zu grapf). Was mich heute geradezu gewurmt hat! Denn ich war bei Kunst-Stoffe – Zentralstelle für wiederverwertbare Materialien (http://www.kunst-stoffe-berlin.de/). Pankow, Berliner Str., gleich beim S-Bahnhof, freitags offen. Vorne ist ein kleines, leeres Haus, an dem zwar die Kunst-Stoffe schon angekündigt werden, aber einen Eingang sieht eine erstmal nicht und die Kunst-Stoffe sind da auch eh nicht drin. Dahinter ein uralt-Bus (die sind damit echt noch neulich gefahren!) und dahinter ein Garagenhof. Wenn der komische Ausdruck „ostig“ eins trifft, dann so 'nen Hof. Platten auf dem Boden, Garagen, offen, beschriftet mit dem jeweiligen Inhalt: Stoffe, Baumaterial, Holz, Farben etc. Eine Garage ist das provisorische Büro, es gibt dort im Prinzip einen Computer und freifunk-Wlan.
Bevor ich groß wen treffe, um mehr zu hören, sehe ich es schon: das tolle Haus, das an denselben Hof grenzt und ganz offensichtlich auch leer steht. Es ist riesig, Vorderhaus, langer Seitenflügel, Hinterhaus. Es ist offen. Gleich neben der Tür an der ersten Zimmertür steht ein Schild, dem ich entnehme, dass dies mal ein Teil des Bezirksamtes war, denn der Name der Dame, die hier mal drinsaß, steht noch dran. Ein paar Schritte weiter kommt die alte Treppe – es ist so ein typischer Altbau, außen grau, innen mit irgend so 'nem „ostig“ gemusterten PVC o.ä., teilweise auch Teppich. Die Zimmer sind ungelüftet und bildschön. Manchen verdunkelt ein Baum das Ambiente, andere haben komischen Stuck: außen rum und noch einmal schräg quer durch, wieder andere waren vielleicht mal Küchen, mit eingebautem Kämmerchen. Manche stinken. Viele haben um die Heizungen rum schwarz, als wäre etwas ausgelaufen (aber immerhin: Heizungen!). Stellenweise haben sie Leute an den Wänden kreativ betätigt, in dem Glauben sich zu verewigen, so dann auch ich, aber nur ganz klein, versteht sich. Ich spinne schon an Visionen, was für ein tolles Projekt in diesen vielen Räumen leben könnte, als mir einfällt, dass ich verabredet bin. Vielleicht kann ich irgendwann mal Bilder nachreichen…
Die Kunst-Stoffe werden gerade beliefert: Ein Bulli, der mit Pflanzenöl fährt, bringt gerade geschenktes Holz, Farben, Laminatstücke. Alle helfen schnell beim Sortieren, alles in die Garagen aufteilen. Wo es sich beizeiten KünstlerInnen oder Projekte abholen können, gegen Spende, ganz nach Ermessen. Ich sehe sogar ein paar rottig-stylische T-Shirts, die mit „Kunst-Stoffe“ bedruckt sind, und gegen Spende erworben werden können. Ich frage mich, wie die Betreiberinnen es verhindern wollen, zur kostenlosen Mülldeponie zu werden. Ganz einfach, sagen sie mir: Genau fragen, was da kommt und sich nicht bequatschen lassen, irgendwas zu nehmen. Nur „Rohstoffe“, also Material, das bearbeitet werden will, und sonst wahrscheinlich im Müll gelandet wäre, keine Flohmarktartikel, nichts Fertiges. Daran könnten Kids doch lernen, etwas selbst zu machen. Ob die Zwischennutzung des Geländes dauerhafte Perspektive bietet, ist unklar. Ein Umzug des Projekts ist immer im Bereich des Möglichen. Und trotzdem springen hier zig Leute rum, die fragen, wie sie mitmachen können, die Regale in die Garagen bauen, denn Holz ist ja gerade da, die planen, wie eine Außenbeleuchtung für die dunkle Jahreszeit angebracht werden soll. Wie soll ich es sagen… bin beeindruckt.