Reality Check: Informatikdarstellung in der Schule

Nein, ich war in keiner Schule. Ich muss bloß festhalten, worüber ich mich heute aufgeregt habe: Dass in einer Handreichung Jugendlichen Informatik womöglich krass verleidet wird. So dass eigentlich vorher geklärt ist, wer dahinkommt und wer nicht. Eine jugendliche Person in der 8. Klasse berichtete von Wahlpflichtfächern, von denen sie ab der 9. Klasse welche belegen muss. Informatik ist darunter, kommt für die Person aber nicht in Frage, weil sie sich darunter nichts vorstellen kann. Dazu die Erfahrung aus der 7. Klasse, dass in Informatik im Prinzip ein Mathelehrer Mathe unterrichtet hat.

Erhellend war das kopierte Heftchen, in dem alle zur Wahl stehenden Fächer kurz umrissen werden! Ich zitiere mal Musik und Informatik – beschrieben für 13- bis 14-Jährige. Die Hervorhebungen sind von mir – und die sind es auch, die mich so schockiert haben.

„Wahlpflichtunterricht Musik
Die Bedeutung der Musik für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen ist inzwischen unumstritten. Der Wahlpflichtunterricht Musik möchte für Schülerinnen und Schüler da sein, die Freude an der Musik haben – Freude am Singen, Tanzen und Musizieren und über das Angebot des Regelunterrichts hinaus musikalisches Können und musikbezogenes Wissen erwerben wollen. Im Mittelpunkt des Wahlpflichtunterrichtes steht die eigene musikalische Aktivität, die besonders auf die Entwicklung des Gefühls-, Kreativitäts- und Sozialpotenzials des Einzelnen innerhalb einer Gruppe abzielt. (…) Der Schwerpunkt liegt, je nach Zusammensetzung der Gruppe, auf Chorgesang, Tanz oder Instrumentalspiel. (…) Neben unserer Schule nutzen wir auch andere Lernorte innerhalb der Stadt, wie z.B. die Landesmusikakademie, die Staatsoper oder die Deutsche Oper. Vielleicht werdet ihr dann als Teilnehmer bei unserer nächsten Revue mit einem musikalischen Beitrag auf der Bühne stehen. Willkommen!

 

„Wahlpflichtunterricht Informatik
Informatik in den Klassenstufen 9 und 10 ist Voraussetzung für die Teilnahme am Unterricht im Fach Informatik in der Sekundarstufe II. An der xxxschule kann die Informatik als Leistungskurs bzw. Grundkurs und damit als Prüfungsfach gewählt werden. (…) Ein gutes mathematisch-logisches Denkvermögen ist die Basis für eine erfolgreiche Teilnahme am Informatikunterricht.

Die Inhalte des Wahlpflichtunterrichtes

  • Die Schüler kennen den grundsätzlichen Aufbau und die Funktionsweise von Rechnern und von Rechnernetzen.

  • Unterscheidung von Software in verschiedenen Hierarchiestufen (Betriebssystem, Bibliotheken, Dienstprogramme, Anwendungssysteme).

  • Verstehen von Software als Komplex von Objekten, deren Struktur Ergebnis eines Modellierungsvorgangs ist.

  • Die Schüler erstellen kleine Programme unter Benutzung vorgegebener Bausteine, erkennen Anwendungssysteme als Verknüpfung von Softwareschichten, die zu verschiedenen Zeiten durch verschiedene Menschen erstellt wurden, wissen, dass dies unter Benutzung dokumentierter Schnittstellen im Vertrauen auf die Korrektheit der benutzten Untersysteme geschah.

  • Sie erkennen typische informatische Grundmodelle zur rechnerinternen Repräsentation von Umweltphänomenen wie Text, Zahl, Grafik, Standbild, Video, Klang und Musik, kennen Sammlungen gleichartig strukturierter Daten. (…)“

Ich spitze etwas polemisch zu: Wer Freude haben möchte, etwas gemeinsam mit anderen machen möchte, kreativ sein möchte und mal ’ne Exkursion machen möchte – ab zur Musik! Da hat sogar eine Lehrperson „Willkommen!“ unter die Beschreibung geschrieben! Informatik? Hier ist willkommen, wer die „richtige“ Denke eh schon mitbringt, sonst kann das mit den abiturrelevanten Prüfungsleistungen ja nichts werden. Informatik hat nichts mit Kreativität zu tun, sondern mit Strukturen, Systemen und Modellen.

Das sind Momente, in denen ich Schulen anschreiben möchte. Welche 13-/14-Jährigen stehen denn auf „Software als Komplex von Objekten, deren Struktur Ergebnis eines Modellierungsvorgangs ist“? Welche 13-/14-Jährigen verstehen so eine Formulierung? Klingt auch so klug: Wenn man bloß richtig verstanden hat, was diese abstrakten Wörter sind, dann kann man Aufgabenstellungen aus der echten Welt in Computerprogrammen abbilden oder sie sogar erledigen. Kreativität? Nö. Gemeinsam entwickeln mit anderen Menschen? Nö. Lernorte außerhalb der Schule? Nö. Software mit sozialem Potenzial oder als soziales Potenzial? Nö. Oder zumindest nicht in erwähnenswertem Maße.

Hee, hallo, sollen da Interessen geweckt werden oder sollen die kommen, die eh schon woanders als in der Schule mitbekommen haben, was an Computern alles interessant sein kann? (Dass für Musik immerhin zwei Geschlechter angesprochen / mitgedacht werden, für Informatik nur eins, das ist ja sicher wieder nur der Lesbarkeit halber, ne?)

Eine Antwort zu „Reality Check: Informatikdarstellung in der Schule“

  1. Fabian

    Berechtigte Entrüstung! Füge hinzu, dass es in den NaWi-Fächern oft nicht besser aussieht… 🙁